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Du schlimmer Narzisst!
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Integrität
Du schlimmer Narzisst!

Was ist Narzissmus und wie erkennt man ihn?

Dr. Herald Hopf
Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Chefarzt der Tagesklinik Waldfriede und Privatklinik Nikolassee

Nicht nur zu mir, auch zu meinen Kollegen kommt praktisch nie ein Mensch mit dem Anliegen, er habe eine narzisstische Störung und wolle deshalb behandelt werden. Aber in der Öffentlichkeit wird dieser Begriff häufig zur Erklärung für schwerwiegende psychische Normabweichung verwendet: «Hilfe, ich lebe mit einem Narzissten in einer toxischen Beziehung!» (Spiegel online) «Donald Trump ist ein gefährlicher sadistischer Narzisst.» (Berliner Morgenpost)

Im Wandel der Unworte ...
Zwischen der öffentlichen Benutzung des Begriffs und der Fachwelt klafft also eine ordentliche Lücke. Im aktuellen Diagnoseverzeichnis (ICD-10) findet sich eine narzisstische Persönlichkeitsstörung nur versteckt unter den sonstigen möglichen. Und in der neuen Version (ICD-11) kommt sie gar nicht mehr vor. Viele psychiatrische Begriffe wurden im Laufe der Zeit zu herabwertenden stigmatisierenden Bezeichnungen: jemanden Irrer, Idiot, Psychopath, schizophren oder hysterisch zu nennen. Und Narzisst gehört inzwischen auch zu den Unworten, die niemand gern für sich beansprucht. Überhaupt, wie soll ich akzeptieren, in meiner Persönlichkeit gestört zu sein? Eigentlich ein Unding. Persönlichkeit ist doch etwas Einmaliges, Unveränderliches, eben die Art und Weise, wie ich in der Welt auftrete und bin.

Was sind Persönlichkeitsstörungen?
Eine Persönlichkeitsstörung bedeutet psychiatrisch gesehen aber nur, dass einzelne Merkmale übermäßig oder zu gering ausgeprägt sind und dadurch Probleme und Leid im Alltag schaffen: zu viel Selbstunsicherheit, Angst und Misstrauen oder zu wenig Einfühlungsvermögen oder emotionale Steuerungsfähigkeit. Oder es ergeben sich Probleme daraus, zu sehr im Mittelpunkt stehen zu müssen oder im Übermaß die eigene Großartigkeit zu suchen. Der Kern der Persönlichkeit ist also nicht gestört – Betroffene kommen nur oft mit den Anforderungen der Umgebung schwer zurecht.

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung
Bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung weichen die Zuschreibungen der Umwelt häufig sehr stark vom Eigenerleben der betroffenen Menschen ab. Zu spüren, dass ich wichtig bin, dass ich für meine Person auch ohne große Leistungen viel Zuspruch erhalte und von Freunden bewundert werde, das ist doch ein großartiges Gefühl und zunächst ganz ohne Leiden oder Pathologie. Arrogant, ausnutzend oder unempathisch zu sein, fühlt sich dagegen unangenehm oder falsch an. Diese Zuschreibungen von anderen Menschen werden deshalb nicht angenommen, sie stimmen mit dem Eigenerleben eben nicht überein. Aber genau die beiden Seiten des Eigen- und Außenerlebens sind die Kriterien, die zur Einordnung einer narzisstischen Störung führen können (Box 1).

 

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