Das Magazin für ganzheitliche Gesundheit

Meine Mutter muss doch trinken, sonst stirbt sie!
Foto: iStock.com/gradyreese

Beziehungen
Meine Mutter muss doch trinken, sonst stirbt sie!

Kommen die eigenen Eltern in ein vorgerücktes Alter oder sind von einer Erkrankung betroffen, stellen sich den Angehörigen viele Fragen. Schuldgefühle entstehen, man ist der Situation unvorbereitet ausgeliefert, fühlt sich machtlos. Kann man vorbeugen?

Hanna Klenk
Fachfrau Gesundheit und Langzeitpflege

Nicht wollen oder nicht können?
Die fortgeschritten demenzerkrankte Dame presst die Lippen zusammen, dreht den Kopf weg, wehrt mit der Hand ab. Die Signale sind deutlich. Es gelingt auch nicht mit geduldigem Zureden oder sanftem Druck, ihr Essen oder Trinken zu geben. Angehörige und Pflegende stehen vor der schwierigen Frage, ob dieses Verhalten akzeptiert werden soll – mit der Konsequenz, dass in absehbarer Zeit der Tod eintreten wird – oder Infusionen, Sondenernährung oder Zwang ausgeübt werden müssen, um ihr Leben zu erhalten. Der Selbstbestimmung eines Menschen wird heute ein großer Stellenwert beigemessen. Werden Unterstützung, Pflegemaßnahmen und Hilfestellungen deutlich verweigert, soll dies akzeptiert und berücksichtigt werden. Geht es dabei aber um Leben oder Tod, stellen sich ernste Fragen. Soll ein Arzt trotz deutlicher Festlegung in der Patientenverfügung, dass keine wiederbelebenden Maßnahmen erwünscht sind, dennoch versuchen, die Herzfunktion wieder in Gang zu bringen? Soll eine Tochter zusehen, wie ihre Mutter dehydriert und in ein Delir abdriftet?

Sterbebegleitung oder Sterbehilfe?
Das Verweigern von Essen und Trinken ist für Angehörige schwierig auszuhalten. Ein Arzt hat uns Pflegenden die Situation einmal so erklärt: Wird ein Tier schwer verletzt, zum Beispiel ein Reh, und stellt man ihm Wasser so hin, dass es bequemtrinken könnte, nimmt es dieses trotzdem nicht an. Dieser natürliche Prozess hilft dabei, Schmerzen zu lindern. Denn ein Gehirn, das zu wenig Wasser zur Verfügung hat, schaltet auf Sparflamme, reduziert die Leistung und drosselt damit auch Schmerz- empfinden. Wir haben das alle schon erlebt, wenn wir etwa vor einer Prüfung zu wenig getrunken haben und das Konzentrationsvermögen da-runter litt. Wird dann Mensch oder Tier per Sonde oder Infusion Flüssigkeit zugeführt, tritt diese ins Gewebe ein und kommt dem Kreislauf nicht zugute. Das sogenannte Sterbefasten kann es einer Person ermöglichen, friedlich für immer einzuschlafen. Nichtsdestotrotz ist es eine Form von Suizid und muss genau angeschaut werden. In der Schweiz ist Suizid-/Sterbehilfe oder Freitodbegleitung gesetzlich erlaubt, wenn die Voraussetzungen dazu erfüllt sind. Der Sterbewunsch muss selbstbestimmt, wohlinformiert, durchdacht und nicht in einer momentanen depressiven Krise geäußert werden.

Wie viel Begleitung ist genug?
Kürzlich betrat ich als Pflegende ein Bewohnerzimmer und prallte fast zurück. Elf Angehörige drängten sich um die Betten ihrer Eltern. Dabei wurde laut geschwatzt, die Mitarbeiter mit Fragen, Anliegen und Forderungen bestürmt und per Handy Videos und Bilder in alle Welt verschickt. Es ist verständlich, dass Kinder und Enkel sich kümmern und Sorgen machen, aber Unruhe und Überforderung sind nicht hilfreich. Gute Erfahrungen vermitteln Rund- tischgespräche. Betroffene, Familie, Ärzteschaft, Therapeuten, Pflegende, allenfalls auch Mitarbeiter von Sozialdiensten und anderen Einrichtungen setzen sich dabei zusammen. Fakten kommen auf den Tisch, Fragen werden gestellt und Erklärungen abgegeben. Sind sich die Parteien nicht einig, werden die offenen Punkte schriftlich festgehalten und ein späterer Termin wird geplant.

 

Weiterlesen ...

Lesen Sie alle vollständigen Artikel in
der Printausgabe des Magazins Leben & Gesundheit.