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Wahre Freundschaft
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Beziehungen
Wahre Freundschaft

Gibt es wahre Freundschaft? Wenn ja, was zeichnet sie aus und wozu soll sie gut sein?

Dr . Med. Karl-Heinz Oberwinkler
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe

«Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt. Ein Freund bleibt immer Freund, auch wenn die ganze Welt zusammenfällt. Drum sei auch nie betrübt, wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt. Ein Freund, ein guter Freund, das ist der größte Schatz, den’s gibt.»


Werner Richard Heymann schrieb diesen bekannten deutschen Schlager 1930 für den Tonfilm «Die Drei von der Tankstelle». Besonders bekannt wurde er durch die Interpretation der berühmten «Comedian Harmonists ». Die ersten beiden Zeilen des Refrains haben mittlerweile beinahe den Charakter einer Redewendung angenommen. Als ich in der ersten Hälfte der 1970er Jahre die Volksschule besuchte, da gab es noch den Unterrichtsgegenstand «Singen». Unsere Lehrerin hat mit uns in diesen Stunden tatsächlich gesungen, wir haben Lieder gelernt. Eines dieser Lieder war: «Wahre Freundschaft soll nicht wanken …» Im Radio-Kärnten- Wunschkonzert, das es damals Sonntag für Sonntag gab und das die Familien vor dem Radio versammelte, war «Wahre Freundschaft» ein wahrer Hit und praktisch jedes Mal zu hören. Damals als Volksschüler war der Begriff «Freund» kindgemäß einigermaßen locker sitzend. Man hatte immer wieder einen anderen Freund. Das traf also nicht wirklich auf die Beschreibung zu, die in den beiden zitierten Liedern wahrer Freundschaft zugeordnet wird: Beständigkeit, Haltbarkeit, auch unter Belastung. Damit bin ich auch schon bei meiner ersten grundlegenden Feststellung: Der Begriff «Freund» sollte mit Sorgfalt und keineswegs inflationär verwendet werden. Man kann meiner Ansicht nach nicht viele Freunde haben. Viele gute Bekannte – ja. Viele (vor allem) echte Freunde – nein.

FREUNDSCHAFT – WOZU?
Die Frage mag seltsam klingen, ist aber doch berechtigt. Dies möchte ich Ihnen anhand einer Geschichte erläutern. Als Jugendlicher hatte ich gut zehn Jahre lang einen wirklichen Freund. Als uns das Erwachsensein auf ganz unterschiedliche Wege führte, endete diese enge Freundschaft. Wir sind uns aber noch immer verbunden, schreiben uns hin und wieder eine WhatsApp, und so einmal in zehn Jahren sehen wir uns. Als ich Mitte meiner Zwanziger zu arbeiten begann und eine Familie gründete, hatte ich für längere Zeit niemanden, den ich im Sinn meines Verständnisses für Freundschaft als Freund bezeichnet hätte. Einerseits hatte ich nicht wirklich ein Bedürfnis danach, denn meine Familie gab mir in Bezug auf meine sozialen Beziehungen alles, was ich brauchte. Die sozialen Kontakte am Arbeitsplatz taten ihr Übriges. Dementsprechend war ich immer froh, wenn ich in meiner spärlichen Freizeit für die Familie und für mich Zeit hatte. Daneben noch eine echte Freundschaft zu pflegen, war weder mein Bestreben noch lag es zeitlich und emotionell drin. Ich hatte allenfalls sogenannte «freundschaftliche Beziehungen» zu zwei Arbeitskollegen. Diese pflege ich immerhin seit nunmehr fast drei Jahrzehnten. Vor etwas mehr als zehn Jahren aber lernte ich Alfred kennen. Er wurde mir als jemand empfohlen, der sehr gut Räder reparieren kann. Da ich ein begeisterter Radfahrer bin, brachte ich meine Räder von da an regelmäßig zum Service in seine Werkstatt. Und dann wurde mit der Zeit aus «Alfred R., meinem Radmechaniker», «Fredl, ein wahrer Freund».

WAS IST FREUNDSCHAFT?
Um diese Frage zu beantworten, lassen Sie mich die Begriffe Freund/ Freundin und Freundschaft anhand des Duden untersuchen. Dieser Inbegriff eines Wörterbuchs, dieser Hüter der deutschen Sprache, definiert Freund bzw. Freundin wie folgt: «Männliche bzw. weibliche Person, die einer anderen Person in Freundschaft verbunden ist, ihr nahesteht». Freundschaft wiederum ist «ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander ». Dies legt eine Basis. Es geht um Beziehung und Zuneigung. So banal es klingt: Freund/Freundin kann nur jemand sein, den man gerne mag. Aus welchem Grund auch immer. Andererseits sind längst nicht alle Menschen, die man mag, auch gleichzeitig Freunde, jedenfalls nicht, wenn man den Begriff anders als oberflächlich verwendet. Kurz: Zur Freundschaft gehört mehr! wenn man Zeit miteinander verbringt. Und das ist wohl für jede Freundschaft eine Herausforderung. Denn wir leben in einer 24/7-Gesellschaft. Fast niemand mehr hat das Gefühl, noch Zeit zu haben. Zeit, ein sehr kostbares Gut! Fredl und ich leben beide in unseren Familien. Wir sind beide beruflich sehr engagiert und zeitlich belastet. Wir lösen das momentan so, dass wir uns praktisch nach jedem meiner 24-Stunden-Dienste im Kaffeehaus für ein bis eineinhalb Stunden treffen. Im Großen und Ganzen einmal pro Woche. Da tauschen wir uns aus und vertiefen unsere Freundschaft. Immer wieder betreiben wir auch gemeinsam Sport – Radfahren im Sommer, Langlauf im Winter. Darauf trifft dann wohl der etwas angestaubte Begriff «Kameradschaft » zu. Hilfreich, wenn man die Synonyme, die der Duden für das Wort Freundschaft anbietet, auch noch unter die Lupe nimmt: Beziehung, Brüderschaft, Bund, Eintracht, Gemeinschaft, Kameradschaft, Verbundenheit, Vertrautheit, Zuneigung und Zusammengehörigkeit. Auf dieser Grundlage möchte ich eine einfache Übung durchführen und prüfen, was davon und in welcher Form auf meine Freundschaft mit Fredl zutrifft.

• ZUNEIGUNG Natürlich, ich mag Fredl. Punkt. Und das, obwohl ich mittlerweile auch seine schwierigeren Seiten kenne. Und er die meinen. Mehr ist dazu nicht zu schreiben.

• BEZIEHUNG, GEMEINSCHAFT, KAMERADSCHAFT Natürlich ist Freundschaft eine Beziehung. Und wie jede Beziehung kann sie nur ent- und dauerhaft bestehen, wenn man Zeit miteinander verbringt. Und das ist wohl für jede Freundschaft eine Herausforderung. Denn wir leben in einer 24/7-Gesellschaft. Fast niemand mehr hat das Gefühl, noch Zeit zu haben. Zeit, ein sehr kostbares Gut! Fredl und ich leben beide in unseren Familien. Wir sind beide beruflich sehr engagiert und zeitlich belastet. Wir lösen das momentan so, dass wir uns praktisch nach jedem meiner 24-Stunden-Dienste im Kaffeehaus für ein bis eineinhalb Stunden treffen. Im Großen und Ganzen einmal pro Woche. Da tauschen wir uns aus und vertiefen unsere Freundschaft. Immer wieder betreiben wir auch gemeinsam Sport – Radfahren im Sommer, Langlauf im Winter. Darauf trifft dann wohl der etwas angestaubte Begriff «Kameradschaft» zu.

• VERBUNDENHEIT Dadurch wird meiner Ansicht nach ausgedrückt, dass Freundschaft außer Zuneigung und Sympathie immer so etwas wie einen Anknüpfungspunkt oder Ausgangspunkt braucht. Bei Fredl und mir war und ist es die Liebe zum Radsport. Diese gemeinsame Leidenschaft hat uns miteinander bekannt gemacht. Und wir sprechen in unseren «Kaffeehaus- Tischreden» natürlich immer noch und immer wieder gerne darüber. Diese Gemeinsamkeit verbindet nach wie vor.

• VERTRAUTHEIT Das natürlich ist ein sehr wichtiges Merkmal einer Freundschaft. Wenn man Zeit miteinander verbringt, lernt man sich automatisch besser kennen. Mit den Jahren wird mir seine Art vertrauter – und umgekehrt. In manchen Dingen verstehen wir uns ohne viele Worte. Es geht bei dieser Vertrautheit aber auch um ein besonderes Vertrauen. Wir vertrauen einander auch einige unserer dunkleren Seiten an. Wir können darüber sprechen. Und wir können uns einander anvertrauen, d. h. wir reden selbstverständlich über unsere Probleme, wir fragen einander um Rat. Und das im Wissen, dass unsere diesbezüglichen Gespräche den Tisch nicht verlassen.

• EINTRACHT Klar, Freundschaft ist etwas, was auch durch Eintracht gekennzeichnet ist. Aber eben auch dadurch, dass man unterschiedliche Ansichten und Standpunkte viel leichter tolerieren kann als bei anderen Menschen. Auch Fredl denkt über manche Themen deutlich anders als ich. Unsere Tischgespräche sind immer wieder einmal echte Diskussionen. Und nicht immer können wir uns einigen. Aber mit diesen unterschiedlichen Ansichten gehen wir, wie es Ernst Jandl einmal so treffend formuliert hat, «als Freunde auseinander ».

• ZUSAMMENGEHÖRIGKEIT Ich meine, die zeigt sich vor allem in schwierigeren Zeiten. Er hat mich in einer besonders schwierigen Phase meines Lebens gestützt und aufgebaut. Umgekehrt war es genauso. Und klar, es sind vor allem diese Zeiten, die eine Freundschaft auf eine Bewährungsprobe stellen und sie, wenn die Probe «bestanden» wird, vertiefen.

FAZIT
Jenseits aller gescheiten Überlegungen, Definitionen und Theorien ist das Leben an sich immer etwas, was in der Praxis gelebt werden muss. Das trifft auch auf die Freundschaft zu. In diesem Sinn habe ich anhand meiner Freundschaft zu Fredl aufzuzeigen versucht, was Freundschaft ausmacht. Zumindest eine, die diesen Namen verdient und auch etwas Bleibendes ist. Was ich natürlich auch für Fredl und mich anstrebe: Unsere Kaffeehaus- Tischreden, unsere Sport- Unternehmungen und unsere Treffen in seinem Fahrrad-Keller, das alles soll noch lange so weitergehen. Wahre Freundschaft – ein Leben lang ...

 

 

 

 

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